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Arbeitsmarktprognosen: Prognosen richtig deuten

Welche Berufe werden in Zukunft besonders gefragt sein? Das kann niemand sicher beantworten. Arbeitsmarktprognosen versuchen jedoch, sich einer Antwort anzunähern. Wie zuverlässig sind die Vorhersagen?

Ein Mann markiert Textpassagen eines Dokuments farbig.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit zukünftigen Arbeitsmarktchancen beschäftigen, unterscheiden zwischen Kurzfristprognosen und Langfristprognosen. So erstellt zum Beispiel das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zwei Mal im Jahr Kurzfristprognosen. Dazu schauen sich die Forscherinnen und Forscher viele Faktoren an.

Was kann alles in eine Prognose einfließen?

Ganz wichtig bei Prognosen zum Arbeitsmarkt sind zunächst einmal Zahlen dazu, wie viele Menschen erwerbstätig oder arbeitslos sind.

Auch andere sogenannte Konjunktur- und Arbeitsmarktindikatoren fließen in die Prognosen mit ein. Das sind zum Beispiel die Lohnkosten, Umsätze oder Verbraucherpreise.

Ebenfalls eine Rolle spielen arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. So kann es beispielsweise Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben, wenn die Politik neue Rechte und Pflichten für Arbeitslose oder Veränderungen beim Kurzarbeitergeld beschließt.

Eine weitere Rolle spielen Ereignisse mit großen Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt. Hier wären etwa die Corona-Pandemie (2019-2022) oder der Krieg gegen die Ukraine (ab 2022) zu nennen.

Darüber hinaus wird das komplette Erwerbspersonenpotential betrachtet. Sprich: die Summe aus allen Erwerbstätigen, Erwerbslosen und Menschen, die bereit wären, eine Arbeit aufzunehmen, sich aber nicht arbeitslos melden (man sagt: ‚Stille Reserve‛).

Porträtfoto von Dr. Christian Hutter Porträtfoto von Dr. Christian Hutter

Dr. Christian Hutter

„Wir haben ein Arbeitsmarktmodell entwickelt, das solche strukturellen Zusammenhänge aus der Vergangenheit erfasst. Damit kann eine Prognose erstellt werden. Für einen Blick in die Zukunft muss man also immer auch einen Blick in die Vergangenheit werfen“, erklärt Dr. Christian Hutter, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich „Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen“ am IAB.

Hinzu kommen aktuelle Frühindikatoren, zum Beispiel: Wie sind die Auftragslage und die Kapazitätsauslastung der Unternehmen? Wie beurteilen die Unternehmen die Geschäftsaussichten für die kommenden Monate? Wo steht das IAB-Arbeitsmarktbarometer, das auf einer monatlichen Umfrage der Bundesagentur für Arbeit unter allen lokalen Arbeitsagenturen basiert?

Aktuelle konjunkturelle Entwicklung? Langfristig eher uninteressant!

Langfristprognosen hingegen umfassen einen weitaus größeren Prognosehorizont, der bis 2035, 2050 oder sogar 2060 reichen kann. „Hierbei spielt dann die aktuelle konjunkturelle Entwicklung so gut wie keine Rolle mehr“, sagt Christian Hutter. Vielmehr steht die Frage im Vordergrund, wie sich das Verhältnis von Arbeitsangebot und -nachfrage in Zukunft entwickeln wird, insbesondere für bestimmte Berufsfelder, Qualifikationsgruppen (zum Beispiel Hochschulabsolventinnen und -absolventen) oder Regionen: Wo wird es einen Fachkräftemangel geben? „Interessant ist, dass man für die lange Frist bestimmte Szenarien im Vergleich zum Basismodell durchrechnen kann. Also zum Beispiel: Welchen Einfluss hat die Digitalisierung oder eine verstärkte Durchdringung der Elektromobilität auf den deutschen Arbeitsmarkt?“, führt der IAB-Experte aus.

Dennoch treffen die Prognosen der Forscherinnen und Forscher nicht immer zu. „Selbst wenn wir alles, was in der Vergangenheit passiert ist, zu 100 Prozent erklären könnten und alle Zusammenhänge verstehen würden, blieben dennoch Schwierigkeiten“, gesteht Christian Hutter. So kommt es vor, dass bestimmte „Gesetze“ auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr oder nur noch eingeschränkt gelten. Forscher sprechen dann von einem sogenannten Strukturbruch.

Ein Beispiel: Früher war der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Beschäftigungsentwicklung viel stärker als heute. Eine schwache Konjunktur bedeutet heute nicht mehr automatisch, dass die Unternehmen auch mehr Menschen entlassen. „Dies stellt natürlich für Prognosen eine besondere Herausforderung dar. Besonders in Zeiten, in denen ein derartiger Strukturbruch als solcher noch nicht zu erkennen ist. Und dass es sich tatsächlich um einen Strukturbruch gehandelt hat und nicht nur um einen temporären Ausreißer, weiß man halt oft erst hinterher“, erklärt der Arbeitsmarktforscher.

Eigene Interessen und Fähigkeiten ins Zentrum stellen

Ein Porträt-Foto von Ralf Beckmann. Ein Porträt-Foto von Ralf Beckmann.

Ralf Beckmann

Für Entscheidungsträger in Politik, Verwaltung und Gesellschaft sind Vorhersagen eine wichtige Entscheidungsgrundlage. „Bei der Berufswahl sollten sie jedoch eher als grobe Orientierung herangezogen werden“, so der Rat von Ralf Beckmann von der Arbeitsmarktberichterstattung der Bundesagentur für Arbeit.

„Die beste Strategie für die Studien- und Berufswahl ist nach wie vor: einen Beruf wählen, der zu den eigenen Interessen und Fähigkeiten passt und dann auch nach dem Abschluss weiterbilden und flexibel sein.“ Wer sich nur auf Prognosen stützt, könne von zyklischen Veränderungen am Arbeitsmarkt hart getroffen werden, warnt der BA-Experte. Prinzipiell werden in allen Berufen, ob mit Studium oder Ausbildung, junge Fachkräfte gebraucht, denn jedes Jahr gehen Tausende von qualifizierten Fachleuten in den Ruhestand.

Auch Christian Hutter untermauert das und rät jungen Menschen, den Lehrberuf oder das Studienfach zu wählen, in dem sie besonders gut sind oder wofür sie sich am meisten interessieren.

Weitere Informationen

Bundesagentur für Arbeit

Regensburger Straße 104
90478 Nürnberg
Tel. 0911/179-0
www.arbeitsagentur.de

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
der Bundesagentur für Arbeit

Regensburger Straße 100
90478 Nürnberg
Tel. 0911/179-0
www.iab.de