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Verhaltenstherapeut: „Dass ich in die Psycho­therapie will, wusste ich schon früh“

Um Verhaltenstherapeut werden zu können, musste Johannes Lindner (34) viel Ausdauer beweisen. In der Praxis angekommen ist eine gesunde Selbst­einschätzung für ihn eine wichtige Voraussetzung, um im Berufsalltag zu bestehen.

Zwei Sessel im Büro eines Psychotherapeuten.

Für Johannes Lindner ist seine kleine Privatpraxis in Bremen die Belohnung für einen langwierigen Weg: Die Selbstständigkeit ermöglicht dem 34-jährigen Familienvater ein hohes Maß an Freiheit und eine ausgewogene Work-Life-Balance, auf die er großen Wert legt.

Zwischen 20 und 25 Stunden pro Woche betreut der Verhaltenstherapeut Patientinnen und Patienten: drei bis vier Stunden am Vormittag, zwei am Nachmittag. Viele kommen wegen Depressionen, Zwangs- oder Essstörungen zu ihm. Neben Gesprächen gehören zu seinem Berufsalltag auch Expositionsübungen. Dabei werden die Patientinnen und Patienten mit ihren Ängsten konfrontiert, etwa Fahrstuhlfahren, um die Angst davor in den Griff zu bekommen.

Dann ist da auch noch die Arbeit am Schreibtisch: Ärztebriefe beantworten, Abrechnungen aufsetzen. Die Nachfrage nach Therapieplätzen ist hoch, durch die Pandemie sei der Bedarf noch weiter gestiegen, ist seine Erfahrung.

  • Porträt von Johannes L.

    Zwar ist der Zugang zum Masterstudium auch heute noch stark reguliert und die Suche nach einem Weiterbildungsplatz zum Therapeuten schwierig, aber immerhin verdienen die Absolventen mittlerweile Geld während ihrer Ausbildung.

    Johannes Lindner, Verhaltenstherapeut

Hürden überwinden

Wie das funktioniert mit dem Denken, Fühlen und Lernen hat Johannes Lindner schon in der Schule interessiert. Aber mit seiner Abinote bekam er zunächst keinen Studienplatz für Psychologie. Die Zulassungshürde war an allen Universitäten bundesweit sehr hoch. Mit dem Studienplatz geklappt hat es erst im dritten Anlauf.

Im Bachelorstudium arbeitete Johannes Lindner in einem der Universität angegliederten Institut, in dem unter anderem Therapeutinnen und Therapeuten ausgebildet werden: „Dabei habe ich sehr viel vom Therapeutenalltag mitbekommen und wusste früh, dass ich in die Psychotherapie will.“

Zukunftsprojekt: Praxis mit Kassensitz

Nach dem Bachelor- und Masterstudium ging es mit der Weiterbildung zum Verhaltenstherapeuten weiter: „Ich musste 1.800 praktische Stunden in psychiatrischen Einrichtungen, 600 ambulante Therapiestunden unter Supervision sowie 600 theoretische Unterrichtsstunden nachweisen, die an den Wochenenden stattfanden“, erklärt er. Er fand ein Institut, absolvierte alle Stunden und bestand vier Jahre später die Prüfung, um dann eine staatliche Approbation beantragen zu können. „Zwar ist der Zugang zum Masterstudium auch heute noch stark reguliert und die Suche nach einem Weiterbildungsplatz zum Therapeuten schwierig, aber immerhin verdienen die Absolventen mittlerweile Geld während ihrer Ausbildung.“ Das war zu Johannes Lindners Zeit noch anders und mit ein Grund, warum er sich seitdem in der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung für bessere Bedingungen engagiert.

Mit Blick in die Zukunft möchte Johannes Lindner gerne eine Praxis mit Kassensitz führen, um auch gesetzlich Versicherte behandeln zu können. Einen Sitz zu erhalten ist langwierig, die Praxisübernahme kann teuer werden. Ein Zukunftsprojekt, bei dem ebenfalls Durchhaltevermögen und Leidenschaft gefragt sind.