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Oder doch ein Pflichtjahr?

Schatten von Bloggerin Melissa.

Autor:
Melissa

Rubrik:
orientieren

10.06.2023

Freiwilligendienst als Pflicht? Ganz bestimmt nicht! Oder etwa doch? Eigentlich dachte ich, das Thema sei für mich durch. Ich war fest entschlossen, dass es zwar schön wäre, wenn mehr Leute einen Freiwilligendienst machten, aber Pflicht sollte es niemals sein.

In einem Gespräch mit meiner Chefin ging es zufällig um genau diese Frage – und sie war da ganz anderer Meinung. Sie meint, dass es in ein paar Jahren vielleicht gar nicht mehr anders geht. Pflegekräfte werden weniger und das System scheint schon heute zu ausgelastet zu sein. Die Angestellten im sozialen Bereich gehen vielerorts auf dem Zahnfleisch, sind erschöpft und verlieren durch den Stress den Spaß an ihrer Arbeit. Ohne viele helfende Hände kann es auf kurz oder lang nicht funktionieren. Müsste sich jeder junge Mensch ein Jahr lang in der Gesellschaft engagieren, könnte das System wenigstens etwas entlastet werden.

Aber ist es fair, die Mängel eines Systems an einer Generation auszulassen, die das System nicht einmal gemacht hat? Ist es fair, dass sie die Fehler der Gesundheitspolitik ausbügeln sollen? Nein! Fair ist das wohl nicht.

Aber manchmal frage ich mich, ob es nicht trotzdem ein richtiger Weg wäre. Wir sind zwar nicht für die Fehler verantwortlich und es scheint fast dreist, unsere Generation zu verpflichten, ein ganzes System zu retten. Aber gleichzeitig liegt es auch in unserer Verantwortung, es besser zu machen. Zu zeigen, dass es auch anders sein kann.

Und selbst wenn ein solcher Dienst vorgeschrieben wird, besteht er ja nicht ausschließlich aus Verpflichtungen – sondern junge Menschen, wie auch ich selbst, können viel aus der Arbeit mitnehmen und für ihr Leben lernen. Auch wenn nicht alle Tage schön sind, macht es mir persönlich doch meistens Spaß. Es ist einfach schön, etwas Sinnvolles zu tun. Das Jahr wird mich vermutlich für immer prägen. So wird es auch anderen gehen. Dem ein oder anderen gefällt es vielleicht sogar so gut, dass er weiterhin in dem Bereich tätig sein möchte. Das wäre dann für alle Seiten schön.

Trotzdem wäre es eine Lüge, zu behaupten, dass das die perfekte Lösung ist. Am System selbst muss in den nächsten Jahren viel gemacht werden. Angefangen bei mehr Bezahlung bis hin zu einer flächendeckenden Infrastruktur. Aber dennoch könnte ein solcher Dienst jungen Menschen zeigen, wie schön es ist, in einem sozialen Beruf zu arbeiten. Wie schön es ist, Teil des Lebens anderer Menschen zu sein.

Und auch wenn dieses Gedankenspiel immer wieder für viel Aufregung und Empörung bei meiner Generation sorgt, so glaube ich trotzdem, dass wir uns daran gewöhnen könnten. Nach ein paar Jahren wäre es selbstverständlich, dass jeder einen Beitrag leisten muss. Und jeder Mensch hätte auch die Möglichkeit, mal einen Einblick in einen Bereich zu bekommen, den er sonst vielleicht nie gesehen hätte. Mittlerweile bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ein freiwilliger Dienst freiwillig bleiben soll. Ich weiß es einfach nicht, wie so viele andere Menschen auch. Aber gerade deshalb wäre es schön, offen darüber zu diskutieren. Bewusstsein zu schaffen. Nur so können sich auch die betroffenen Menschen eine Meinung bilden und mitentscheiden.